Was bedeutet "konservative" Adipositas-Therapie?
Bei der konservativen Adipositas-Therapie geht es darum, durch nicht-operative Behandlungsmethoden Übergewicht zu reduzieren. Diese Therapieform besteht aus vier Elementen. Wir fragen eine Expertin, wann die konservative Adipositas-Therapie Aussicht auf Erfolg hat und wie sie abläuft.
Wir sprechen mit Dr. med. Diane Möller-Goede, Kaderärztin Endokrinologie am GZO Spital Wetzikon. Sie ist Teil des interdisziplinären Experten-Teams und arbeitet täglich mit Adipositas-Patienten.
Wieso sind "konservative" Therapieformen im Rahmen der Adipositas-Behandlung so wichtig?
Bei der konservativen Therapie geht es darum, durch Veränderungen bisheriger Abläufe und Verhaltensweisen im Alltag, Übergewicht zu reduzieren - also ohne einen chirurgischen Eingriff. Konservative Therapieformen sollten stets die erste Option sein, wenn ein Patient die Voraussetzungen erfüllt. Es gibt keine allgemeingültige Regel und jeder Patient ist anders. Aber die Chance, dass Patienten durch konservative Therapie dauerhaft Gewicht reduzieren, besteht. Ab einem Body Mass Index (BMI) von 35 wird eine bariatrische Operation von der Krankenversicherung übernommen. Dann spricht man bereits von sehr starkem Übergewicht und der Patient leidet in der Regel an schweren Begleiterkrankungen.
Welche vier Elemente gehören zur konservativen Adipositas-Therapie?
Die konservative Therapie umfasst die Ernährungsumstellung, regelmässige körperliche Aktivität, evtl. psychologische Unterstützung und evtl. medikamentöse Unterstützung. Es geht um ein Zusammenspiel dieser Elemente. Jeder Adipositas-Patient hat eine andere Geschichte und andere Bedürfnisse. Deshalb wird für jeden Patient das Therapiekonzept individuell und unter Einbezug der verschiedenen Therapeuten entwickelt.
Was ist in Bezug auf die Ernährungsumstellung wichtig?
Die Ernährungsumstellung ist das Hauptelement der Adipositas-Therapie. Dabei geht es nicht um eine Diät, sondern um eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, an welchen über Jahre mit guter Lebensqualität festgehalten werden kann. Eine bewusste, ausgewogene Ernährung mit allen Komponenten (viel Gemüse/Salat, Eiweiss und Kohlenhydrate zu gleichen Teilen) in reduzierten Mengen steht dabei im Vordergrund.
Auf vielleicht ungesunde Lieblingsspeisen müssen Patienten nicht komplett verzichten. Sie können diese in kleinen Mengen und weniger häufig bewusst geniessen. Die Ernährungsberaterinnen des Adipositas-Netzwerks helfen ihnen dabei, sich mit ihrem Essverhalten auseinanderzusetzen und die Ernährung so umzustellen, dass sie eine dauerhafte Gewichtsreduktion erreichen und halten können.
Und wie sieht es mit regelmässiger Bewegung aus?
Die Bedeutung einer regelmässigen körperlichen Aktivität - neben der Alltagsbewegung - wird häufig unterschätzt. Diese ist nicht nur notwendig, um die eigene Energiebilanz zu optimieren, sie dient auch dem Muskelaufbau und der Verbesserung von Koordination, Beweglichkeit und Gleichgewicht.
Patienten sollten sich eine körperliche Aktivität aussuchen, die ihnen Spass macht und welche sie möglichst gut in ihren Tagesablauf einbauen können. Schon das Verzichten auf den Lift und regelmässiges Treppensteigen bringt einen Effekt. Eine Möglichkeit ist auch, das Auto weiter weg zu parkieren oder im Bus eine Haltestelle früher auszusteigen und den Rest zu Fuss zu gehen. Sie sollten mit kleinen/kurzen Bewegungseinheiten beginnen, zum Beispiel 5-10 Minuten zügiges Gehen, welche sie dann im Verlauf ausbauen können. Das Ziel sollte sein, dass sie sich mindestens 3x pro Woche für 30 Minuten bewegen.
Die Bewegungstherapeuten des Adipositas-Netzwerks helfen ihnen dabei, ihr individuelles Bewegungsziel aufzustellen und regelmässige Bewegung in den Tagesablauf zu integrieren.
Wünschen sich alle Adipositas-Patienten psychologische Unterstützung?
Das Essverhalten ist häufig mit spezifischen Lebenssituationen (Stress, negative Emotionen) verknüpft, die zu Frustessen und Essattacken führen können. Betroffene fühlen sich oft machtlos, dieses Verhalten zu durchbrechen, was dazu führt, dass die Frustration immer grösser wird. Eine psychologische Unterstützung kann helfen, die Ursachen für das Frustessen zu erkennen und diesen spezifisch entgegen zu wirken.
Die Therapeuten des Adipositas-Netzwerks decken die Zusammenhänge für Frustessen oder Essattacken auf und unterstützen die Patienten dabei, Strategien zu entwickeln, mit denen sie diese Verhaltensmuster durchbrechen können.
Kann man die Gewichtsreduktion ohne Operation mit Medikamenten unterstützen?
Es gibt die Möglichkeit, den Erfolg der konservativen Massnahmen durch ein Medikament zu unterstützen. Die Ernährungsumstellung und die regelmässige körperliche Aktivität bleiben aber ganz klar im Vordergrund. Ohne die Bemühungen in diesen beiden Bereichen wird eine medikamentöse Unterstützung nur beschränkt helfen.
Die Endokrinologen des Adipositas-Netzwerks beraten die Patienten gerne hinsichtlich einer möglichen medikamentösen Therapie und stehen ihnen während einer allfälligen Behandlung begleitend zur Seite.
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Letzte Aktualisierung: 12.12.2022