Aktualisiert am 14.12.2023 | Lesezeit 5 Minuten

Was kann die neue Abnehmspritze?

Die Vorstellung, dass man mit den zurzeit viel diskutierten Abnehmspritzen schnell sein Wunschgewicht erreichen kann, ist verlockend. Aber wie wirksam sind diese Medikamente wirklich, welche Risiken bergen sie?

Von Gabrielle Rotschild, publiziert in der GlücksPost vom 30. November 2023, S. 32-33

 

Ein Piks pro Woche – und die Kilos purzeln. So tönt es in Erfolgsberichten auf Social Media, und auch Prominente wie Elon Musk befeuern den Hype um die Abnehmspritzen. Entsprechend sehnsüchtig wurde die Einführung in der Schweiz erwartet. Seit kurzem sind die vermeintlichen Wunderwaffen gegen unliebsame körpereigene Fettreserven auch hierzulande erhältlich.

Die erste und wichtigste Frage lautet: Was passiert nach der Verabreichung des Medikaments? Es ist ganz einfach: Man hat weniger Appetit, isst folglich weniger und verliert an Gewicht. Der Grund dafür ist der Wirkstoff Semaglutid, der im Gehirn wie ein körpereigenes Hormon wirkt, und so das Hungergefühl einschränkt.

Schneller Gewichtsverlust zu Beginn

Die zurzeit bekanntesten Präparate, die helfen, effektiv Gewicht zu reduzieren, sind Ozempic und Wegovy. Wie unterscheiden sie sich? «Beide Medikamente enthalten den gleichen Wirkstoff, nur die Dosierung ist anders. Ausserdem ist es wichtig, zu erwähnen, dass Ozempic nur für Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen ist. Wegovy ist bereits in der Schweiz  zugelassen, wird von der Krankenkasse aber nicht vergütet. Das einzige Medikament, welches zur Behandlung von Übergewicht in der Schweiz zugelassen und von der Krankenkasse übernommen wird, heisst Saxenda und basiert auf dem Wirkstoff Liraglutid.»

Wer nun in Gedanken schon die Sportsachen beiseitelegen wollte und glaubte, dass Kalorienzählen der Vergangenheit angehört, liegt also falsch. Trotz der sehr effektiven Medikamente, die Übergewichtigen helfen, schnell abzunehmen, ist eine ausgewogene Ernährung und Bewegung essenziell.

 

Dr. med. beat Schmid

 

«Das Hungergefühl wird eingeschränkt.»

Dr. med. Beat Schmid
Leitender Arzt Klinik für Innere Medizin, Endokrinologie/Diabetologie
Kantonsspital Schaffhausen

 

 

Dass diese Spritzen durchaus erfolgversprechend sind, zeigt eine Studie, die besagt, dass der mittlere Gewichtsverlust mit Saxenda nach einem Jahr etwa 9 Prozent, mit Wegovy 15 Prozent beträgt. «Es gibt sogar vereinzelt Menschen», sagt Dr. Schmid, «die deutlich mehr an Gewicht verlieren, vorausgesetzt allerdings, dass man Saxenda täglich anwendet, Ozempic und Wegovy hingegen einmal wöchentlich». Erwähnenswert ist zudem, dass die häufigsten Nebenwirkungen Übelkeit oder Durchfall sind. 

Erfreulicherweise ist gleich zu Anfang der Therapie ein schneller Gewichtsverlust erkennbar. Entscheidet sich der Patient oder die Patientin für das Medikament Saxenda, verlangsamt sich die Gewichtsabnahme im Laufe der Monate, und ist nach einem Jahr beendet. Bei Wegovy sinkt das Gewicht weiter, wenn auch nur sehr langsam und stoppt ebenfalls nach einer gewissen Zeit. Deshalb ist es empfehlenswert, nach Abschluss der Abnehmphase, mit entsprechender Ernährung und Bewegung zu versuchen, das erreichte Gewicht zu halten. Ausserdem, so weiss man, steigt auch nach einer mehrjährigen Therapie mit den genannten Medikamenten das Gewicht wieder an (vermutlich auf das Ausgangsgewicht).

Trotz der nachgewiesenen, schnellen Gewichtsabnahme stellt sich somit die Frage, ob mit gezielter Ernährung und ausreichend Sport nicht die gleiche Wirkung erzielt werden kann? «Nein», sagt der erfahrene Arzt. «Die Gewichtssenkung ist deutlich ausgeprägter, wenn man diese Medikamente zusätzlich einsetzt. Dies ist wichtig, da ja Übergewicht, je nach Ausmass, gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Beispielsweise kommt es vermehrt zu Herzinfarkten, Schlaganfällen, Krebs und auch die Sterblichkeit ist deutlich erhöht. Somit handelt es sich nicht nur um ein kosmetisches, sondern um ein medizinisch relevantes Problem. Zudem weiss man heute, dass etabliertes Übergewicht eine echte Erkrankung ist, die mit dem Lebensstil alleine nicht vollständig rückgängig gemacht werden kann.» 

Doch es gibt noch ein anderes Problem. Verwendet man das Medikament gegen Übergewicht, kann es Menschen mit Diabetes fehlen. Der Facharzt sagt dazu: «Ozempic sollte nicht an Personen abgegeben werden, die nicht an Diabetes leiden, da sonst die Versorgung von Diabetikern mit diesem Medikament, aufgrund der schlechten Verfügbarkeit, gefährdet ist.»

Damit die Krankenkassen die Kosten übernehmen, muss das Medikament von einem Facharzt für Endokrinologie oder einem Adipositas-Zentrum verschrieben erden. Bei pathologischem Übergewicht werden die Kosten grundsätzlich vergütet.

Letzte Aktualisierung: 14.12.2023